Umdenken und Zukunft möglich machen
Das Ergebnis ist alarmierend – um ganze acht Tage hat sich das Datum, ab dem die Menschheit alle nachwachsenden Ressourcen eines Jahres aufgebraucht hat, im Vergleich zum Vorjahr nach vorne geschoben. 2025 fällt der EOD auf den 24. Juli. Wie es gelingt, den Earth Overshoot zu verringern und warum sich zirkuläres Wirtschaften für Unternehmen auszahlt, diskutieren Dr. Mathis Wackernagel, Gründer des Global Footprint Network, und Sybilla Merian, Head of Sustainability bei Interzero.
Sybilla Merian: Wir Menschen verbrauchen zu viele Ressourcen und gefährden damit auf Dauer unsere eigene Lebensgrundlage. Können wir die Wende in Richtung Nachhaltigkeit noch schaffen? Und was bräuchte es dafür?
Mathis Wackernagel: Zunächst brauchen wir ein neues Mindset. Nachhaltigkeit wird heute mit „nobel“ verknüpft, ist aber eine absolute Notwendigkeit. Zu wenigen ist bewusst, wie wichtig nachhaltiges Handeln ist – nicht nur für die Menschheit, sondern vielmehr noch als Lebensgrundlage für unsere eigenen Unternehmen oder Städte. Unsere Art zu wirtschaften bestimmt, wie gut unsere Unternehmen oder unsere Städte funktionieren. Aktuell basiert sie auf ökologischer Übernutzung. Die Verfügbarkeit von Ressourcen wird dadurch immer weiter eingeschränkt und der Klimawandel unweigerlich beschleunigt. Sind wir darauf vorbereitet? Zudem wird diese globale Überlastung unseres Planeten aufhören. Ob wir wollen oder nicht, entweder dank beabsichtigtem Design oder aufgezwungenem Desaster. Das ist die Wahl, vor der wir hier stehen.
Sybilla Merian: Was bedeutet das für Unternehmen?
Mathis Wackernagel: Die zentrale Frage in einer Zukunft, die durch zunehmenden Klimawandel und knapper werdende Ressourcen geprägt ist, lautet: Was wird wertvoll? Die offensichtliche Antwort lautet: Dinge, die in dieser Zukunft effektiv funktionieren können. Besonders wertvoll werden Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen sein, die im Zuge ihrer Expansion die globale Erdüberlastung reduzieren. Beispiel Kreislaufwirtschaft: Zirkuläre Unternehmen, die sich für Wiederverwendung und Recycling einsetzen, reduzieren den globalen „Overshoot“ immer weiter, je stärker sie wachsen. Besonders vielversprechend sind daher Unternehmen, die im Rahmen der eigenen Expansion die Belastung für unseren Planeten reduzieren können und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Sybilla Merian: Viele unserer Kunden beschäftigt die Frage, wie sie in Zukunft ihren Rohstoffbedarf decken und gleichzeitig die Umwelt entlasten können. Ohne eine starke Circular Economy, die Wertstoffe so lange wie möglich im Kreislauf hält, wird das kaum möglich sein. Die Arbeit von Interzero als Kreislaufwirtschaftsdienstleister ist für eine nachhaltige Zukunft unerlässlich. Dennoch ist es auch für uns immer wieder herausfordernd, unseren konkreten Beitrag zur Ressourcenschonung messbar zu machen. Daher arbeiten wir mit wissenschaftlichen Instituten zusammen, die Transparenz und Klarheit in diesem Punkt schaffen können – so wie das Global Footprint Network mit seiner Messgröße des ökologischen Fußabdrucks.
Mathis Wackernagel: Diese Messgröße ermöglicht es uns, zu analysieren, wie stark ein Unternehmen die globale Erdüberlastung pro Million Euro produziertem Mehrwert verringert – oder vergrößert. Um einen Euro Mehrwert pro Jahr zu generieren, benötigt die Weltwirtschaft durchschnittlich zwei Quadratmeter biologisch produktiver Fläche. Auf Grundlage der von Interzero bereitgestellten Daten schätzen wir, dass Interzero den globalen Overshoot um 32 Quadratmeter pro Jahr reduziert – 15 Mal mehr runter als der weltweite Durchschnitt pro Euro den Overshoot erhöht! Das geht also in die richtige Richtung. Solche Erkenntnisse helfen Unternehmen, Investitionsentscheidungen zu treffen, die eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit haben. Das ist vergleichbar mit den Messinstrumenten in Maschinen oder Autos: Wie schnell bin ich unterwegs? Wie warm ist der Motor? Wie viel Treibstoff ist im Tank und wie weit komme ich damit? Viele Unternehmen betrachten Nachhaltigkeitsdaten rein defensiv, also nur unter Compliance-Gesichtspunkten, und damit als Belastung. Dabei ist Nachhaltigkeit ein strategisches Thema: Wie weit komme ich mit meiner „Maschine“ im Kontext der Erdüberlastung und Ressourcenknappheit?
Sybilla Merian: Das war auch für uns ein „Augenöffner“! Durch die Berechnung des Impacts von Interzero auf den Earth Overshoot Day sind wir erstmals in der Lage, unser Wirken in einer einzigen prägnanten Zahl darzustellen. Die von Ihnen erwähnten Ergebnisse zeigen, dass die Dienstleistungen von Interzero dazu beitragen, den Weltüberlastungstag um 7:12 Minuten nach hinten zu verschieben. Je mehr wir tun, desto mehr könnenwir also unseren Planeten schützen. Dies nehmen wir nun als Ausgangspunkt und Ansporn, gemeinsam mit unseren Partnern, Kunden und Mitarbeitenden Jahr für Jahr einen immer höheren Beitrag zu leisten.
Mathis Wackernagel: Die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Interzero ist für uns spannend. Denn gemeinsam können wir zeigen, dass der Impact eines Unternehmens tatsächlich messbar ist. Wir können außerdem aufzeigen, was möglich ist – und den Unternehmen so helfen, zu erkennen, dass das Streben nach Nachhaltigkeit für sie einen echten Wertschöpfungsfaktor darstellt. Hier gibt es leider bei vielen einen blinden Fleck, weil sie davon überzeugt sind, dass Nachhaltigkeit immer mit Kosten verbunden ist. Wir sehen Nachhaltigkeit dagegen als Wertschöpfungsquelle. Es ist doch ganz offensichtlich: Unsere Gesellschaft braucht zwei Zutaten, um zukunftsfähig und effektiv zu sein. Zum einen benötigen wir physische Ressourcen. Unternehmen, Städte und Länder, alles, was physisch existiert, funktioniert nicht ohne Ressourcen. Und zum zweiten braucht es Vertrauen. Nur wenn wir zusammenarbeiten und uns gegenseitig vertrauen, können wir erfolgreich die Zukunft gestalten.
Sybilla Merian: Davon bin ich auch überzeugt. Als Kollektiv, mit guten Partnern, die gemeinsame Ziele verfolgen, lässt sich viel verändern und Großes erreichen. Mit der Kampagne „Let’s #MoveTheDate“ zielen wir ja ganz bewusst auf die Schaffung einer Art Kreislaufwirtschafts-Bewegung, auf einen positiven, dynamischen Spirit, indem wir unsere Kunden bei der Umsetzung von Kreislaufstrategien motivieren, ermutigen und unterstützen. Dazu gehört unbedingt der offene und stetige Dialog miteinander. Denn es gibt noch so viel zu lernen! Ob mit Veranstaltungen wie „Future Resources“ oder auch mit diesem Magazin: Wir möchten Plattformen schaffen für den Austausch über erfolgreiche Ideen und Innovationen im Bereich Kreislaufwirtschaft. Vielen Dank an dieser Stelle auch an dich, lieber Mathis, dass du dich daran beteiligst.
Mathis Wackernagel: Mit Vergnügen! Ich beschäftige mich auch schon sehr lange mit dem Thema Erdüberlastung und Ressourcensicherheit. Dabei habe ich gelernt, dass wir Ansätze finden müssen, die begeistern, anstatt Ängste vor einer Verknappung zu schüren. Wir wollen zeigen, dass die Sicherung von Ressourcen auch wertschöpfend ist. Niemand möchte Geld aus dem Fenster werfen; warum sehen wir das bei Ressourcen nicht genauso? Wenn wir besser verstehen, wie die ökologischeÜberlastung unser Leben prägt, können wir uns als Unternehmen, Städte und Länder wirksamer und erfolgreicher positionieren. Das ist gut für uns – und das ist gut für unsere Welt.
7:12 Minuten - Jede Minute zählt

Der Earth Overshoot Day macht deutlich, wie weit die Menschheit über ihre Verhältnisse lebt: Am 24. Juli 2025 werden rein rechnerisch bereits alle natürlichen Ressourcen verbraucht sein, die unser Planet innerhalb eines Jahres bereitstellen kann. Recycling leistet einen messbaren Beitrag zur Entlastung der Erde – und ohne die Arbeit von Interzero wäre die Grenze des „Earth Overshoot“ 2024 bereits 7:12 Minuten früher überschritten worden.*
* Berechnung des Global Footprint Network auf Basis der Fraunhofer-Studie „resources SAVED by recycling“.
Preview: Dieser Beitrag stammt aus dem neuen Interzero Nachhaltigkeitsmagazin, das Ende Juni erscheint.