„Nachhaltiges Wirtschaften und wirtschaftliche Vorteile Hand in Hand“ – Fraunhofer-Interview zu den Chancen von Reuse und Refurbishment von IT-Equipment
Die aktuellen Studienergebnisse zeigen eindrucksvoll: Durch professionelles IT-Remarketing lassen sich Treibhausgasemissionen um bis zu 37 Prozent reduzieren – ein starkes Argument dafür, gebrauchte IT-Hardware nicht ungenutzt veralten zu lassen, sondern aktiv in den Kreislauf zurückzuführen. Interzero unterstützt Unternehmen dabei seit über 20 Jahren. Von der sicheren Logistik über die zertifizierte Datenlöschung bis hin zum Wiederverkauf aufbereiteter Geräte wird aus ungenutzter Hardware ein messbarer Mehrwert.
Doch was steckt genau hinter den aktuellen Berechnungen von Fraunhofer UMSICHT? Welche Herausforderungen gibt es in der Datenerhebung und was bedeuten die Ergebnisse für die Praxis in Unternehmen? Darüber haben wir mit Philipp Rittershaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Fraunhofer UMSICHT, gesprochen.

Die aktuellen Studienergebnisse stellen vor allem die Treibhausgasemissionen in den Mittelpunkt. Welche weiteren Umweltkennzahlen spielen für Sie eine zentrale Rolle und warum?
Philipp Rittershaus: Obwohl in dieser Studie der Fokus auf dem Global Warming Potential liegt, betrachten wir in einer umfassenden Lebenszyklusanalyse (LCA) standardmäßig eine Vielzahl weiterer Umweltkennzahlen. Von zentraler Bedeutung sind hierbei auch die Ressourcennutzung sowie der Wasserverbrauch.
Die Herstellung von Elektronikgeräten ist äußerst ressourcenintensiv. Strategien wie Reuse und Refurbishment verlängern die Lebensdauer der Produkte und tragen so direkt dazu bei, den Abbau und Verbrauch von Primärrohstoffen zu verringern. Auch der Wasser-Fußabdruck ist eine wichtige Kennzahl, da die Produktion von Komponenten, insbesondere von Halbleitern, mit einem erheblichen Wasserverbrauch verbunden ist.
Gerade beim Thema Wassereinsparung scheint die Datenlage aber besonders herausfordernd. Woran liegt das aus wissenschaftlicher Sicht?
Philipp Rittershaus: Die Datenlage ist in der Tat eine Herausforderung, was primär daran liegt, dass mit Ausnahme von Fairphone B.V. kaum ein Hersteller wissenschaftlich nachvollziehbare Daten zur Wassernutzung veröffentlicht. Die verfügbaren Schätzungen weichen aus unserer Sicht vor allem aufgrund unterschiedlicher Messmethoden oder z. B. einer nicht ausreichenden Differenzierung zwischen Nutzung und Verbrauch voneinander ab.

Wie lassen sich solche Kennzahlen für Unternehmen dennoch sinnvoll einordnen und nutzen?
Philipp Rittershaus: In unserer Studie haben wir die wissenschaftlich fundierten LCA-Daten des Fairphone 5 als Basis genutzt und daraus skalierte Schätzungen für andere Gerätetypen abgeleitet. Für Unternehmen sind solche Kennzahlen wertvolle Indikatoren, um die ökologischen Vorteile von Kreislaufstrategien ganzheitlicher zu bewerten. Sie ermöglichen es, über die reinen CO₂-Emissionen hinauszugehen und den Beitrag zur Schonung von Wasser- und Rohstoffressourcen sichtbar zu machen. Dies stärkt nicht nur die Nachhaltigkeitsberichterstattung, sondern dient auch als fundierte Entscheidungsgrundlage für eine ressourcenschonendere IT-Beschaffung und -Verwaltung.
Im Vergleich zu früheren Studien sind die Einsparwerte pro Gerät hauptsächlich gesunken. Woran liegt das?
Philipp Rittershaus: Richtig, die absoluten Einsparungen pro Gerät sind gesunken, die relativen Einsparungen hingegen bleiben auf einem konstant hohen Niveau. Dies liegt z. B. an der effizienteren Produktion. Durch reduzierten Materialeinsatz und einen höheren Anteil recycelter Materialien ist die Herstellung ressourceneffizienter geworden. Auch der Einsatz erneuerbarer Energien reduziert den CO₂-Fußabdruck von Neugeräten. Auf der anderen Seite beobachten wir eine negative Entwicklung in puncto Konsumverhalten und Nachhaltigkeit. Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Elektronik, insbesondere bei Smartphones, hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verkürzt.

Würden Sie sagen, dass diese veränderten Werte die Bedeutung von IT-Remarketing schwächen?
Philipp Rittershaus: Nein, keineswegs. Meines Erachtens nimmt die Bedeutung von IT-Remarketing zu. Die Tatsache, dass die Herstellung neuer Geräte umweltfreundlicher wird, ist erfreulich. Trotzdem bleibt das umweltfreundlichste Produkt jenes, das gar nicht erst produziert wird. Die Studie zeigt mit relativen Einsparungen von bis zu 37 Prozent bei Smartphones eindrücklich, dass die Verlängerung der Lebensdauer eine der wirksamsten Strategien zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Elektroniksektor ist.
Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass Ansätze wie das professionelle IT-Remarketing auch dazu beitragen können, das Bewusstsein von Konsumentinnen und Konsumenten für die Problematik immer schnellerer werdender Konsumzyklen zu steigern und auch Vorbehalte gegenüber gebrauchten Geräten abgebaut werden können.
Und aus Unternehmenssicht? Wie steht es um den ökonomischen Vorteil von IT-Remarketing-Lösungen?
Philipp Rittershaus: Die Studie unterstreicht, dass zirkuläre Ansätze nicht nur ökologischen Nutzen bringen, sondern auch ökonomische Chancen durch eine effizientere Ressourcennutzung und neue Wertschöpfungspotenziale eröffnen. Unternehmen, die ihre ausgemusterte IT-Hardware einem zertifizierten Wiedervermarktungsprozess zuführen, können attraktive Erlöse erzielen, anstatt Entsorgungskosten zu tragen. Damit gehen nachhaltiges Wirtschaften und wirtschaftliche Vorteile Hand in Hand.
Für Unternehmen lautet der wichtigste Schluss: Die Entscheidung für professionelles IT-Remarketing ist keine Nischenstrategie, sondern ein entscheidender Hebel, um die eigene Umweltbilanz zu verbessern und einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung zu leisten.
Über die Studie:
Die Untersuchung „Treibhausgaseinsparungen durch Wiedernutzung ausgewählter IKT-Geräte“ basiert auf einer Lebenszyklusanalyse, bei der alle Phasen (Ressourcengewinnung, Produktion, Distribution, Nutzung, Entsorgung) des Produktlebenszyklus berücksichtigt wurden, sowie auf Primärdaten von Interzero zu allen Aufwänden der Aufbereitung. Es wurden zwei Nutzungsszenarien analysiert: Reuse (Berücksichtigung weiterer Schritte wie Aufbereitung, Transport und einer zweiten Nutzungsphase) und Refurbishment (Berücksichtigung des Austausches einzelner Komponenten zusätzlich zu Reuse). Die ermittelten Einsparungen orientieren sich an den jeweiligen Aufbereitungsprozessen von Interzero. Analysiert wurden die Produktlebenszyklen von Smartphones und Tablets mit Fokus auf das Reuse-Nutzungsszenario sowie die von Notebooks und Desktop-PCs mit Fokus auf das Refurbishment-Nutzungsszenario.
Die gesamte Studie ist kostenfrei auf folgender Website folgenden Link abrufbar: IT- und Kommunikationsgeräte | Interzero - zero waste solutions